Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,
Willkommen zu der sechsten Ausgabe unseres Newsletters, der Sie über aktuelle Themen und relevante Entwicklungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des IT-Rechts informiert. In der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters informieren wir Sie über Entscheidungen aus dem Wettbewerbsrecht und IT-Recht: In letzter Zeit sind hier einige Entscheidungen ergangen, die insbesondere im Bereich des Online-Marketings relevant werden. Hier gibt es für Unternehmen einige rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, die wir für Sie kurz und gezielt zusammenfassen, damit Sie die rechtliche Entwicklung stets im Blick haben.
EuGH zur Aufklärungspflicht über das Widerrufsrecht
Das kürzlich ergangene Urteil des EuGH vom 17. Mai 2023 (C-97/22) schärft den Verbraucherschutz im Bereich des Widerrufrechts noch einmal erheblich und verdeutlicht, wie wichtig eine richtige Aufklärung über das Widerrufsrecht ist. Der EuGH hat entschieden, dass ein Unternehmen das Verlustrisiko im Falle eines Widerrufs trägt, wenn es den Aufklärungspflichten nicht bzw. nicht ordnungsgemäß nachkommt. Es besteht dann selbst bei bereits erbrachter Dienstleistung kein Anspruch auf Vergütung oder Wertersatz.
BGH zum Recht auf Vergessenwerden
Aus dem Persönlichkeitsrecht und dem Datenschutzrecht ergibt sich das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“, das Privatpersonen eine Möglichkeit gibt, gegen unerwünschte personenbezogene Daten im Internet vorzugehen. Oftmals werden dabei direkt die Suchmaschinen wie Google wegen Unterlassung in Anspruch genommen. Der BGH urteilte nun am 23. Mai 2023 (Az. VI ZR 476/18), dass bei einem Unterlassungsbegehren hinreichend nachgewiesen werden muss, dass die gegenständlichen Informationen offensichtlich unrichtig sind. Dies ist auf einer Linie mit dem Grundsatzurteil des EuGH vom 08. Dezember 2022 (Az. C-460/20).
Neues aus dem Wettbewerbsrecht
Um die Aufmerksamkeit von Konsumenten zu generieren, werden Werbesprüche oft so reißerisch wie möglich formuliert. Ein Unternehmen bewarb einen koffeinhaltigen Energy Drink mit der Aussage „Das neue … Getränk verleiht Dir die nötige Power, Leistung und Konzentration für deine gewünschten Aktivitäten“. Das LG Hamburg hat diesbezüglich mit Urteil vom 19. Januar 2023 (Az. 312 O256/21) entschieden, dass dies eine unzulässige Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben darstellt.
Insbesondere im Bereich der Immobilienbranche wurden durch verschiedene Gerichte jünst einige Werbeaussagen als irreführend eingestuft. Das LG Bremen entschied mit Urteil vom 20. Juli 2022 (Az. 12 O 346/21), dass die Aussage „Immobilienbewertung in 3 Minuten“ unzulässig sei. Ebenso urteilte das LG Leipzig am 13. Juli 2022 (Az. 05 O 552/22), dass es sich bei der Botschaft „Wir verkaufen Ihre Immobilie zum Bestpreis“ um eine irreführende Alleinstellungswerbung handle.
BGH zum Nachahmungsschutz
Der BGH urteilte am 26. Januar 2023 (Az. I ZR 15/22) zum wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutz bei Produktverpackungen. In dem konkreten Fall handelte es sich bei dem Streitgegenstand um Butterverpackungen, die einige Ähnlichkeiten im Hinblick auf die zentralen Gestaltungsmerkmale aufweisen, allerdings nicht komplett identisch sind. Der BGH entschied nun, dass eine Nachahmung auch dann in Betracht kommt, wenn nicht alle wesentlichen Gestaltungsmerkmale übernommen werden.
Pflicht zur Grundpreisangabe für Affiliates
Hinsichtlich der Werbung mit Preisrabatten waren durch die Änderung der Preisangabenverordnung (PAngVO) im Mai 2022 einige Neuerungen zu beachten. Insbesondere wurde eine „30-Tage-Regel“ eingeführt, nach der bei der Werbung mit Preisermäßigungen der niedrigste Gesamtpreis der vergangenen dreißig Tage vor der Rabatt-Aktion angegeben werden muss. Das LG Düsseldorf hat nun mit Urteil vom 11. November 2022 (Az. 38 O 144/22) eine erste Entscheidung zu den neuen Informationspflichten nach der PAngVO getroffen. Es besteht danach bei Streichpreisen keine weitergehende Aufklärungspflicht darüber, ob der Streichpreis maximal 30 Tage zurückliegt.
Das LG Hamburg beschäftigte sich im Urteil vom 02. Februar 2023 (Az. 304 HK O 102/22) mit der Grundpreisangabenpflicht, das heißt die Pflicht zur Angabe des Preises je Mengeneinheit der Ware. Das Landgericht entschied, dass diese Pflicht auch bloße sogenannte Affiliates trifft, die Angebote eines dritten Händlers im Austausch für eine Provision vom Erlös bewerben.
Eine weitere Entscheidung zu der Werbung mit Rabatten ist durch das LG München I mit Urteil vom 12. Januar 2023 (Az. 38 O 144/22) ergangen. Die Werbung mit „20% Rabatt + zusätzlich 20% on top in ALLEN Abteilungen“ wurde durch das Landgericht als irreführende Blickfangwerbung eingestuft, da nicht alle Produkte in allen Abteilungen reduziert waren.
Das OLG Hamburg hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2022 (Az. 3 W 38/22) entschieden, dass mit der Pflicht zur Angabe von Streichpreisen keine weitergehende Aufklärungspflicht einhergeht. Die Entscheidung reiht sich ein in die bisher bestehende Rechtsprechung zu der neuen Regelung in § 11 PAngVO, wie beispielsweise das Urteil des LG Düsseldorf (Wir berichteten).
Der Bestell-Button in der Webshop-Gestaltung
Bisweilen ist es üblich geworden, die eigenen Waren- und Dienstleistungen mit Angeboten von dritten Unternehmen zu verknüpfen. Das LG Berlin entschied nun mit Urteil vom 23. März 2023 (Az. 67 S 9/23), dass in einem solchen Falle ein Bestell-Button für zwei verschiedene Verträge nicht ausreichend sei. Es muss im Rahmen des Bestellvorgangs jeweils ein eindeutig beschrifteter Bestell-Button (beispielsweise „Zahlungspflichtig bestellen“) pro Vertrag vorgehalten werden, um den gesetzlichen Informationspflichten nachzukommen.
Das AG Köln urteilte am 13. Februar 2023 (Az. 133 C 189/22), dass die Pflicht, einen eindeutigen Bestell-Button einzubinden, auch bei Bestellvorgängen im E-Mail-Bereich gilt.
E-Mail-Marketing
Grundsätzlich dürfen Newsletter oder Werbung per E-Mail versandt werden, wenn die Einwilligung des Adressaten vorliegt. Allerdings muss die Einwilligung auch genutzt werden, ansonsten droht die Gefahr, dass erteilte Einwilligungen erlöschen. Das AG München urteilte am 14. Februar 2023 (Az. 161 C 12736/22), dass eine Einwilligung als erloschen angesehen werden muss, wenn 4 Jahre nach Ende einer Vereinsmitgliedschaft ohne Erhalt von E-Mail-Werbung erneut ein Newsletter versandt wird. Es kann dann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Einwilligung fortbesteht.
Entscheidungen zu Unterlassungsansprüchen
Das OLG Schleswig beschäftigte sich im Urteil vom 09. März 2023 (Az. 6 U 36/22) mit der Frage, wie oft durch einen Unterlassungsschuldner die Einhaltung der Unterlassungserklärung überprüft werden muss, um eine Vertragsstrafe zu vermeiden. Das Oberlandesgericht urteilte, dass routinemäßige Kontrollen zumutbar seien. In dem konkreten Fall sah das Gericht die monatliche Kontrolle der Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung als ausreichend an.
Das OLG Frankfurt am Main entschied mit Urteil vom 20. April 2023 (Az. 16 U 10/22), dass kein Unterlassungsanspruch gegenüber Google wegen Suchergänzungen über die Autocomplete-Funktion besteht. In dem konkreten Fall wurde der Name des klagenden Unternehmers angezeigt und um das Wort „bankrott“ ergänzt.
Bei wahrheitswidrigen oder ehrverletzenden Aussagen im Internet, wie beispielsweise in den sozialen Medien, besteht in der Regel ein Löschungsanspruch gegen den Plattformbetreiber. Das LG Frankfurt a. M. hat mit Urteil vom 04. Dezember 2022 (Az. 2-03 O 325/22) entschieden, dass darüber hinaus auch kerngleiche Inhalte gelöscht werden müssen.
Ein Löschungs- bzw. Unterlassungsanspruch kann auch aus urheberrechtlichen Gründen bestehen, wenn ein Posting das Urheberrecht der betroffenen Person verletzt und es sich dabei nicht um eine – ausnahmsweise zulässige – Parodie im Sinne des Urheberrechtsgesetzes handelt. Das OLG Frankfurt a. M. entschied mit Urteil vom 02. Februar 2023 (Az. 11 U 101/22), dass ein Beitrag keine Parodie darstellt, wenn dieser lediglich Kritik an der betroffenen Person darstellt und keine Humor oder Verspottung enthält. Ein Unterlassungsanspruch sei dann zu bejahen.
Handlungsempfehlungen
Wir empfehlen Ihnen, sich mit den einschlägigen Entwicklungen zu befassen und zu prüfen, ob und inwieweit diese für Ihren Werbeauftritt relevant sein könnten. Um nachteilige Rechtsfolgen wie Bußgelder, Abmahnungen, Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu vermeiden, sollten die einschlägigen Änderungen – sofern nicht bereits geschehen – so schnell wie möglich umgesetzt werden. Gerne unterstützen wir Sie bei der Bewertung der Rechtskonformität Ihres Unternehmensauftritts und beraten Sie hinsichtlich gegebenenfalls notwendiger Anpassungen. Die Ansprechpartner unserer Kanzlei stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner
Julian N. Modi | Partner, Rechtsanwalt
Dr. Birgit Müller | Senior Managerin, Rechtsanwältin
Robin Fiedler | Rechtsanwalt
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