Ein Mitarbeiter, der Missstände in seinem Unternehmen bemerkt, gerät häufig in einen Gewissenskonflikt: Soll er den Missstand melden und damit seine eigene berufliche Zukunft gefährden? In der Vergangenheit mussten Hinweisgeber (sog. „Whistleblower“) nicht nur um ihren aktuellen Job bangen, sondern auch befürchten, keinen neuen mehr zu finden. Dieser Benachteiligung von Menschen, die einen zentralen Beitrag zur Aufdeckung und Verfolgung von Missständen leisten, soll mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz ein Ende bereitet werden.
Die Bundesregierung veröffentlichte am 27.07.2022 den Regierungsentwurf für ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz („HinSchG-E“). Soweit nachfolgend vom Hinweisgeberschutzgesetz die Rede ist, wird auf diesen Regierungsentwurf Bezug genommen. Derzeit wird davon ausgegangen, dass das Gesetz noch im Herbst dieses Jahres verabschiedet wird.
- Anwendungsbereich
- Erfasste Unternehmen
Die Pflichten für Unternehmen nach dem Hinweisgeberschutzgesetz treffen Unternehmen ab 50 Mitarbeitern sowie unabhängig von der Mitarbeiterzahl bestimmte sog. „störanfällige“ Unternehmen (z. B. Kapitalverwaltungs-gesellschaften oder Versicherungsunternehmen).
Für kleinere Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern besteht eine Übergangsregelung bis zum 17.12.2023, bis die Pflicht zur Errichtung interner Meldestellen auch sie erfasst. Zunächst trifft diese Pflicht nur Unternehmen ab 250 Mitarbeitern sowie die sog. „störanfälligen“ Unternehmen.
- Sachlicher Anwendungsbereich
Zu den Bereichen, deren Meldung oder Offenlegung vom Gesetz erfasst sind, zählen insbesondere Verstöße, die strafbewehrt sind oder bußgeldbewehrte Verstöße, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib und Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient; ferner zählen hierzu Verstöße gegen explizit aufgelistete Rechtsvorschriften, beispielsweise zu:
- – Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung
- – Produkt- und Verkehrssicherheit
- – Umweltschutz und kerntechnische Sicherheit
- – Verbraucherschutz
- – Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten
- – Steuerrecht
- Was bedeutet das Hinweisgeberschutzgesetz für Unternehmen und Hinweisgeber?
- Umfassender Schutz
Der Hinweisgeber wird durch das Hinweisgeberschutzgesetz umfassend geschützt. Er kann in der Regel nicht für die Beschaffung von Informationen oder den Zugriff auf Informationen, die er gemeldet hat, rechtlich verantwortlich gemacht werden. Den Hinweisgeber dürfen keinerlei Repressalien treffen. Er darf durch seine Meldung nichts zu befürchten haben.
- Konsequenz von erfolgten Repressalien
Wenn ein Hinweisgeber dennoch einer Benachteiligung nach einer Meldung oder Offenlegung ausgesetzt ist, die im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit steht, wird vermutet, dass es sich dabei um eine verbotene Repressalie handelt. Handelt es sich tatsächlich um eine verbotene Repressalie, muss der dafür Verantwortliche dem Hinweisgeber den durch die Repressalie entstandenen Schaden ersetzen.
- Verpflichtungen durch das Hinweisgeberschutzgesetz: interne Meldestellen
- Wahlrecht zwischen internem und externem Meldeweg
Dem Hinweisgeber stehen zwei Wege zur Meldung offen: ein betriebsinterner und ein externer Weg. Beide Wege stehen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander.
Eine Meldung an die interne Stelle ist vorteilhaft für die Betriebe, da so die Möglichkeit besteht, das Problem vorrangig intern anzugehen und zu lösen, ohne dass eine dritte Stelle mit involviert ist und Kenntnis von internen Problemen oder Missständen erlangt.
- Ausgestaltung der internen Meldestelle
- Anonymität kein Muss, aber dringend zu empfehlen
Das Gesetz sieht lediglich vor, dass die Meldestellen vertraulich mit der Identität der hinweisgebenden Person und der Person, die Gegenstand der Meldung ist, umzugehen haben. Die Möglichkeit einer anonymen Meldung und deren Verfolgung durch die Meldestelle ist nicht verpflichtend vorgesehen. Jedoch besteht bei einer anonymen Meldung erfahrungsgemäß der Vorteil, dass eine größere Anzahl an Meldungen eingehen, die es dem Unternehmen so erleichtern, früh und proaktiv die Missstände anzugehen und die Risiken für die Unternehmen zu minimieren.
- Gesetzliche Vorgaben zur Ausgestaltung
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht vor, dass die Einrichtung der Meldestelle dadurch erfolgen kann, dass entweder eine beim Unternehmen selbst beschäftigte Person, eine interne Organisationseinheit oder ein Dritter (z. B. Ombudsperson) mit den Aufgaben der internen Meldestelle betraut werden kann. Die Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle entbindet das Unternehmen jedoch nicht von der Pflicht, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einen etwaigen Verstoß abzustellen.
Die Personen, die mit dem Betrieb der Meldestelle beauftragt sind, müssen bei der Ausübung der Tätigkeit unabhängig sein. Das Unternehmen hat sicherzustellen, dass die Personen, die in der Meldestelle arbeiten, die notwendige Fachkunde besitzen.
Es müssen Meldekanäle eingerichtet werden, über die sich die Beschäftigten sowie Leiharbeitnehmer an die interne Meldestelle wenden können, um Informationen über Verstöße zu melden. Der Meldekanal kann auch externen Personen offenstehen, die in ihrem Berufsalltag mit dem Unternehmen in Kontakt stehen, also z.B. Kunden oder Lieferanten.
- Verfahren bei internen Meldungen
Die interne Meldestelle muss
- – der hinweisgebenden Person den Eingang der Meldung nach spätestens sieben Tagen bestätigen,
- – prüfen, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes fällt,
- – mit der hinweisgebenden Person den Kontakt halten,
- – die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung prüfen,
- – die hinweisgebende Person ggf. um weitere Informationen ersuchen und
- – die angemessenen Folgemaßnahmen ergreifen.
Zudem muss die Meldestelle auch dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung Rückmeldung über seine Meldung geben. Dabei sind die geplanten und bereits ergriffenen Folgemaßnahmen und die Gründe dafür mitzuteilen, sofern dadurch die Nachforschungen und die Rechte der Person, die Gegenstand der Meldung ist, nicht beeinträchtigt werden.
- Sanktionierung
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht eine Sanktionierung der Versäumnis der Einrichtung interner Meldekanäle, die den Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes entsprechen, mit einem Bußgeld von bis zu EUR 20.000 vor.
- Externe Meldestellen
Vorgesehen sind ferner externe Meldestellen des Bundes und der Länder. Auch die externen Meldestellen errichten und betreiben Meldekanäle, prüfen die Stichhaltigkeit der eingehenden Meldungen und ergreifen die erforderlichen Folgemaßnahmen, genauso wie eine interne Meldestelle.
Wichtiger Hinweis:
Obige Ausführungen stellen eine unverbindliche Zusammenstellung nach heutigem Stand (September 2022) dar. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit wird keine Haftung übernommen.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung und ggf. Umsetzung der oben aufgezeigten Maßnahmen in Ihrem Unternehmen. Gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern sind wir in der Lage, unseren Mandanten einen umfassenden Prozess zur Erfüllung der Pflichten nach dem Hinweisgeberschutzgesetz bereitzustellen. In diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen gerne unser Angebot in einem gemeinsamen Webinar vorstellen, zu welchem wir Sie mit gesonderter Mitteilung einladen werden.
Für Rückfragen zum Inhalt dieser Fachnachrichten und zu Ihrem richtigen Ansprechpartner in unserem Hause sowie für eine unverbindliche Kontaktaufnahme stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
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Ihre Ansprechpartner
Michael Wagner | Partner, Rechtsanwalt
Helene Mayr | Rechtsanwältin
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Hinweisgeberschutzgesetz – Diese Anforderungen bringt das neue Gesetz mit sich