Die Umrüstung auf Elektromobilität ist seit Inkrafttreten des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes – kurz: GEIG – am 24.03.2021 keine Herausforderung, die allein die Automobilindustrie trifft. Das Gesetz bestimmt umfassende Pflichten für Neubauten und Bestandsgebäude, sodass Eigentümer und Bauherren ebenfalls in die Pflicht genommen werden.
Bei Lektüre des Gesetzes offenbaren sich Lücken, die zu Unsicherheiten bei den Betroffenen führen. Im Fokus dieser Sonderinformation steht § 10 GEIG, der eine Umsetzung ab dem 01.01.2025 verlangt und Eigentümer ohne klare Handlungspflichten zurücklässt.
- Rechtliche Grundlagen
Das GEIG regelt Pflichten für neu zu errichtende (§§ 6, 7), bestehende (§§ 8, 9, 10) und gemischt genutzte Gebäude (§ 11). Bei bestehenden Gebäuden werden diese Pflichten zum Teil an größere Renovierungen geknüpft (§§ 8, 9, 2 Nr. 5 GEIG). Größere Renovierungen liegen vor, wenn die Renovierung des Gebäudes bei mehr als 25 % der Oberfläche der Gebäudehülle erfolgt. Unter Gebäudehülle versteht man Fassaden, Außenwänden, Außenputz, Außenisolierung oder das Dach.
§ 10 GEIG hingegen fordert keine größeren Renovierungen als Anlass. Der Eigentümer hat dafür zu sorgen, dass nach Ablauf des 01.01.2025 ein Ladepunkt errichtet wird, wenn ein Nichtwohngebäude vorliegt und mehr als 20 Stellplätze innerhalb des Gebäudes liegen oder angrenzen. Unter einem Ladepunkt versteht man eine Einrichtung, die zum Aufladen von Elektromobilen geeignet und bestimmt ist und an der zur gleichen Zeit nur ein Elektromobil aufgeladen werden kann (§ 2 Nr. 9 GEIG).
Diese Pflicht erfasst auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 2 Nr. 1 GEIG). Eine Umsetzung kann jedoch auch durch einen Dritten erfolgen.
Von dieser Pflicht enthält § 14 Abs. 1 GEIG eine Ausnahme. Sollte die Kostenschwelle von 7 % der Gesamtkosten der größeren Renovierung überschritten werden, sind nach dem Wortlaut die §§ 8 bis 10 GEIG nicht anzuwenden. Problematisch ist, dass § 10 GEIG keine größere Renovierung voraussetzt, sodass kein Bezugspunkt für die Ausnahme in § 14 Abs. 1 GEIG vorliegt.
- Herausforderung für die Umsetzung
Das GEIG ist lückenhaft. Die Begriffe des Gebäudes und des Wohnens werden nicht genauer bestimmt, sodass auf die Begriffe des Baurechts und den damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten zurückgegriffen werden muss.
Es wird keine genaue Umsetzungsfrist in § 10 Abs. 1 GEIG getroffen. Es wird lediglich bestimmt, dass der Ladepunkt nach dem 01.01.2025 zu errichten ist. Weiter knüpft die Ausnahme nach § 14 Abs. 1 GEIG an größere Renovierungsarbeiten an, die für die Pflicht nach § 10 Abs. 1 GEIG gerade nicht erforderlich sind. Gleichzeitig kann ein Bußgeld von bis 10.000 € festgesetzt werden, wenn nicht dafür gesorgt wird, dass ein Ladepunkt nach § 10 Abs. 1 GEIG hergestellt wird.
Kurz gesagt: Der Gesetzgeber lässt die Eigentümer und die Verwaltung ohne klare Handlungsgrenzen zurück. Es besteht Nachbesserungsbedarf, da unklar ist, ob die Pflicht des § 10 GEIG ausnahmslos gilt und bis zu welchem Zeitpunkt diese tatsächlich erfüllt sein muss.
- Fazit
Bis zu einer gesetzlichen Änderung wird entscheidend sein, dass Ausnahmen von § 10 GEIG so überzeugend begründet werden, dass ein langwieriger Rechtsstreit und/oder Bußgelder vermieden werden können. Denn es ist klar, dass eine Handlungspflicht ohne jedwede Ausnahme unverhältnismäßig ist.
Sollte eine Ausnahme nicht möglich sein, können die Kosten zumindest durch die Beteiligung der umliegenden Nachbarn, als Quartierslösung oder Bündelung vermindert werden, vgl. § 10 Abs. 2 und § 12 GEIG. Aber auch für Arbeitgeber können sich Vorteile, in Form einer Bereitstellung eines Ladepunkts, ergeben (Stichwort „Employer Branding“). Arbeitnehmer können einerseits ihre Elektrofahrzeuge direkt vor Ort bei dem Arbeitgeber laden, andererseits bieten sich unter anderem steuerliche Vorteile in Form eines steuerfreien geldwerten Vorteils.
Geprüft werden sollten jedoch stets auch die übrigen Besonderheiten des Einzelfalls:
So können sich u. a. bei der Vermietung eines Bestandsobjektes oder bei der Beteiligung im Rahmen einer WEG zu berücksichtigende Besonderheiten, insbesondere die Frage nach einer Duldung durch die vor Ort beteiligten Personen, ergeben. Auch die Frage, ob man durch das Betreiben eines Ladepunktes Energielieferant im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) mit den dort vorgesehenen Pflichten wird und/oder ein Betrieb eines öffentlich zugänglichen Ladepunktes mit den entsprechenden Pflichten zur Anlagen-Sicherheit nach der Ladesäulenverordnung (LSV) vorliegt, ist zu klären. Entsprechendes gilt auch für etwaige steuerliche Verpflichtungen, die mit dem Betreiben eines Ladepunkts einhergehen (z. B. Umsatzsteuer, Ertragsteuer und Stromsteuer).
Für Fragen im konkreten Einzelfall sowie für die Erstellung einer Vereinbarung oder Durchsetzung einer Ausnahme empfiehlt sich eine individuelle und einzelfallbezogene Analyse und rechtliche Beratung. Die Ihnen bekannten Ansprechpartner unserer Kanzlei stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner
Tobias Rilling, LL.M. | Partner, Rechtsanwalt, FAfVerwR, FAfBau-/ArchR
Niklas Bammler | Senior Manager, Rechtsanwalt, Dipl.-Verw. (FH)
Dr. Benjamin Riedel | Partner, Rechtsanwalt, FAfMietR
Marco Meynhardt, LL.M. | Senior Manager, Rechtsanwalt
Dr. Thomas Reif | of Counsel, Rechtsanwalt
Maximilian Erhardt | Rechtsanwalt
Die Sonderinformation als PDF-Datei finden Sie im Nachgang verlinkt
Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz – GEIG – Elektromobilität um jeden Preis?