Sonderinformation | Scheinselbständigkeit – erhebliche Risiken bei der Zusammenarbeit mit (vermeintlich) freien Mitarbeitenden

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Die korrekte Beurteilung der Sozialversicherungspflichtigkeit von (freien) Mitarbeitenden ist nach wie vor von größter praktischer Relevanz: Erst zum Jahresende wurden bundesweite behördliche Untersuchungen gegen den größten deutschen Immobilienmakler bekannt. Im Zentrum der Untersuchungen steht der Verdacht der Scheinselbständigkeit von beauftragten Maklern – der Verdacht einer Straftat und zudem ein finanzielles Desaster für den Auftraggeber. Die Risiken der Scheinselbständigkeit sind also erheblich und können Unternehmen aller Branchen treffen. Bei der Beschäftigung von Scheinselbstständigen bestehen für Unternehmen und das verantwortliche Management hohe Haftungsrisiken, auch strafrechtlicher Natur.

Das neue Jahr sollte vor diesem Hintergrund unbedingt genutzt werden, um Vertragsbeziehungen zu (vermeintlichen) freien Mitarbeitenden im eigenen Unternehmen genauer unter die Lupe zu nehmen und auf Scheinselbständigkeitsrisiken zu überprüfen.

Scheinselbständigkeitsproblematik | Abgrenzungskriterien

Bei der als solche bezeichneten Scheinselbständigkeit geht um die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmenden und freien Mitarbeitenden und die Auswirkungen dieser Einordnung auf die Sozialversicherungspflichtigkeit des Beschäftigungsverhältnisses.

Nach § 7 Abs. 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) gilt als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Maßgebliches (abstraktes) Kriterium ist nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte eine persönliche Abhängigkeit des Mitarbeitenden, d.h. eine Eingliederung in den Betrieb und eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggebenden in zeitlicher und örtlicher Hinsicht sowie nach der Art der Ausführung.
Im Gegensatz dazu ist die selbstständige Tätigkeit vor allem durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte sowie die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft und eine weitgehend selbstbestimmte Arbeitsweise und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Wann die Schwelle zur jeweils anderen Seite überschritten wird, lässt sich jedoch nicht eindeutig anhand „harter“ Kriterien feststellen. Trotz der Schwierigkeit, zwischen freier Mitarbeit und abhängiger Beschäftigung zu unterscheiden, sollte aufgrund der Haftungsrisiken bei einer falschen Einstufung eine möglichst klare und rechtssichere Zuordnung angestrebt werden.

Haftungsrisiken

Werden tatsächlich abhängige Beschäftigte nämlich irrtümlich als freie Mitarbeitende behandelt, hat dies für das auftraggebende Unternehmen arbeits-, sozialversicherungs-, steuer- und straf-rechtliche Konsequenzen. Für die Beschäftigten gelten dann arbeitsrechtliche Schutzvorschriften, wie etwa Kündigungsschutz und Regelungen zu Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaub, sowie gegebenenfalls einschlägige Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen.

Darüber hinaus – und dies ist im Ergebnis oftmals eines der beiden viel relevanteren Themen – haftet das auftraggebende Unternehmen für die Nachzahlung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge, sowohl des Arbeitgeber- als auch des Arbeitnehmeranteils, und das für einen Zeitraum von mindestens vier zurückliegenden Jahren.

Es kommt überdies eine rückwirkende Haftung für nicht abgeführte Lohnsteuer in Betracht. Im Ergebnis sieht sich das auftraggebende Unternehmen erheblichen finanziellen Auswirkungen konfrontiert.

Schließlich drohen den Verantwortlichen strafrechtliche Konsequenzen wegen der unterlassenen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, dies von Geldstrafen bis hin zu empfindlichen Freiheitsstrafen.

Weiterführender Praxistipp: Statusfeststellungsverfahren

Wer ein Vertragsverhältnis auf Basis einer selbstständigen Tätigkeit ausgestalten möchte, sollte deshalb sowohl in der Vertragsgestaltung als auch in der gelebten Praxis Vorkehrungen treffen, um die beidseitig ungewollte Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu vermeiden.

Nicht in allen Konstellationen lässt sich trotz entsprechender Vorkehrungen die Scheinselbständigkeit im Vorfeld jedoch rechtssicher ausschließen. Die eindeutige Beurteilung, ob eine Versicherungspflicht vorliegt, wird durch den Umstand erschwert, dass das Vorliegen eines oder mehrerer Kriterien nicht zwingend für oder gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen muss. Im Zweifelsfalle kann auch schon das Vorliegen von einem Indiz eine Schein-selbständigkeit begründen.

Besteht vor diesem Hintergrund bei der Zusammenarbeit mit einem (vermeintlich) freien Mitarbeiter Unsicherheit über dessen korrekte sozialversicherungsrechtliche Einordnung, lässt sich mittels eines Statusfeststellungsverfahrens vor der Deutschen Rentenversicherung Klärung herbeiführen.

Hierbei, sowie bei der Frage, ob im Einzelfall für die Durchführung eines solchen Verfahrens Eile geboten ist, um die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zumindest für die Dauer des Verfahrens vermeiden zu können, und natürlich auch bei den angesprochenen vertraglichen Gestaltungsmitteln, unterstützen unsere Ansprechpartner Sie gerne.
Bitte beachten Sie, dass es sich bei den vorstehenden Ausführungen um vereinfachte allgemeine Hinweise zur Rechtslage handelt, die spezifische Einzelfallaspekte nicht berücksichtigen.

 

Ihre Ansprechpartner 

Prof. Dr. Andreas Katzer | Partner, Rechtsanwalt

Michael Zayoz | Senior Manager, Rechtsanwalt

Franziska Riegler | Rechtsanwältin

Die Sonderinformation als PDF-Datei finden Sie hier.

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