Garantiezusagen von Verkäufern für die von ihnen vertriebenen Produkte sind umsatz- und versicherungssteuerrechtlich seit nunmehr bereits 20 Jahren mehrfach Gegenstand von höchstrichterlicher Rechtsprechung sowie BMF-Schreiben.
Mit BMF-Schreiben vom 11. Mai 2021 und vom 18. Juni 2021, die im Hinblick auf jüngere Entscheidungen des EuGH und des BFH ergangen sind, sind einige wichtige Klarstellungen erfolgt, die wir im Folgenden kurz zusammenfassen und im Hinblick auf ihre praktischen Auswirkungen für Unternehmen beleuchten.
Worum geht es?
Umsatzsteuerlich geht es im Grundsatz um die Frage, ob die Einräumung einer Garantie für Mängel/Defekte einer Kaufsache wie nach bisheriger Auffassung der Finanzverwaltung als unselbständige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt (vgl. Abschn. 3.10. Abs. 6 Nr. 3 UStAE a.F.) oder entsprechend der neueren BFH-Rechtsprechung eine selbstständige Leistung darstellt und als solche grundsätzlich der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr.10 UStG unterliegen kann. Diese Entscheidung hat in der Folge insbesondere auch Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug des Verkäufers.
Versicherungssteuerlich ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen eine solche Garantiezusage ein Versicherungsverhältnis begründet und ein in diesem Zusammenhang entrichtetes Entgelt nach § 1 Abs. 1 VersStG der Versicherungssteuer unterliegt.
Vorab kann angesichts der in der Praxis vorhandenen Vielfalt von Vertragsmodellen und Garantiezusagen, sowohl in Umfang als auch Inhalt, allerdings bereits hier festgehalten werden, dass es trotz der neueren Rechtsentwicklungen bei gewissen Unsicherheiten verbleibt. Eine einzelfallbezogene Prüfung ist deshalb weiterhin zu empfehlen.
- Eigenständige und entgeltliche Garantiezusage
Der Begriff der Garantiezusage ist weder gesetzlich noch durch die Rechtsprechung oder das BMF selbst klar definiert. Unstrittig ist allerdings, dass als Garantiezusage ausschließlich jene Zusagen zu verstehen sind, die die gesetzlichen Käuferrechte der Sachmängelhaftung i. S. d. § 443 BGB ergänzen und verstärken. Der Verkäufer muss mithin ein aufgrund erfolgten Gefahrübergangs nunmehr beim Käufer bestehendes Risiko abdecken. Unerheblich ist dabei, ob er ein der Versicherungsaufsicht unterliegendes Versicherungsunternehmen ist.
Inhalt und Umfang der Garantiezusage unterliegen der Vertragsfreiheit der Parteien. Diese kann sich daher auf eine völlige Mängelfreiheit, auf einzelne Beschaffenheitsmerkmale oder auf eine bestimmte Beschaffenheit der Ware innerhalb eines Zeitraums nach Gefahrübergang beziehen und sowohl eine Kaufpreiserstattung, den Austausch der Ware oder die Nachbesserung beinhalten. Sie können branchenunabhängig sowohl vom Hersteller, Händler oder einem Dritten gewährt werden.
Mangels Absicherung eines fremden Risikos soll hingegen eine Garantiezusage bei den sog. Vollwartungsverträgen – üblicherweise bestehend aus der Zusicherung der Funktionsfähigkeit eines Kaufgegenstandes, turnusgemäßen Inspektionen und erforderlichen Reparaturen gegen Zahlung einer monatlichen Pauschale – nicht vorliegen.
Entscheidend für die steuerliche Bewertung der Garantiezusage ist zudem, ob diese im Einzelfall mit der Lieferung des Kaufgegenstands eine Einheit i. S. einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung bildet und damit das steuerliche Schicksal dieser (Haupt-)Leistung teilt oder von unabhängiger und eigenständiger Natur ist. Wichtige Indizien für das Vorliegen einer eigenständigen Leistung sollen dabei nach Ansicht der Rechtsprechung der mit der Garantiezusage verbundene Risikoübergang auf den Verkäufer, die damit verbundene Begründung einer separaten Rechtsgrundlage und die Vereinbarung eines gesonderten Entgelts sein.
Für das Vorliegen der weiteren Voraussetzung eines gesonderten Entgelts als Gegenleistung für die Garantiezusage genügt nach Auffassung des BFH nicht, dass dieses kalkulatorisch aus einem Gesamtpreis ermittelt werden kann. Anders liegt der Fall, wenn der Käufer den Kaufgegenstand auch ohne Garantie erwerben kann und dafür einen geringeren Preis aufwenden muss; das gesonderte Entgelt besteht dann in dem Differenzbetrag.
- Umsatz- und versicherungssteuerliche Folgen
Eine im vorgenannten Sinne von der Warenlieferung eigenständig zu beurteilende entgeltliche Garantiezusage ist nach § 4 Nr. 10 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Daraus folgt im Weiteren, dass Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit diesen Umsätzen stehen (z. B. aus dem Erwerb von Ersatzteilen oder Reparaturleistungen von Subunternehmer), beim Verkäufer regelmäßig nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen sind (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Versicherungssteuerrechtlich begründet eine Garantiezusage für verkaufte Waren, die vom Verkäufer oder einem Dritten gegen gesondertes Entgelt dem Käufer auf separater Grundlage eingeräumt wird, ein Versicherungsverhältnis und löst damit die Versicherungssteuer für das gezahlte Entgelt aus (§ 3 VersStG). Sofern der Verkäufer insoweit dem Käufer einen Versicherungsschutz gegen gesondertes Entgelt dergestalt verschafft, dass er das Versicherungsverhältnis zugunsten des Käufers mit einem Versicherer abschließt, ist der Verkäufer im Hinblick auf das (erhöhte) Entgelt Steuerschuldner (§ 7 Abs. 1 VersStG) und der Versicherer Steuerentrichtungspflichtiger (§ 7 Abs. 2 VersStG) für die Versicherungssteuer.
Für die Vermittlung einer Versicherung durch den Verkäufer, bei der Letzterer eine Gebühr erhält, aber nicht selbst Vertragspartei wird, gelten die bislang angewendeten Grundsätze laut BMF-Schreiben fort, so dass die Vermittlung umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 11 UStG), aber versicherungssteuerpflichtig ist.
- Praktische Auswirkungen
Mit Ablauf der Übergangsfrist zum 31.12.2022 sind vorgenannte steuerrechtliche Grundsätze auf alle tatbestandlich hierunter fallenden Garantiezusagen anzuwenden. Dabei bestehen trotz der beiden dazu ergangenen BMF-Schreiben insbesondere noch die folgenden Rechtsunsicherheiten:
- – Die in der Praxis vorhandene Vielfalt von Vertragsmodellen und Garantiezusagen einerseits und das Fehlen einer klaren Definition, was eine Garantiezusage aus steuerlicher Sicht beinhaltet andererseits, bietet weiterhin Raum für rechtliche Interpretationen.
- – Weder das nationale noch das Unionsrecht enthält eine eindeutige Definition des Begriffs des Versicherungsverhältnisses, was zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen kann.
- -Im Hinblick auf das Erfordernis der engen Auslegung der Befreiungstatbestände im Umsatzsteuerrecht nach ständiger EuGH-Rechtsprechung, dem eine weite Auslegung des Begriffs des Versicherungsverhältnisses durch die BFH-Rechtsprechung gegenübersteht, ergeben sich weitere Unsicherheiten.
- – Grenzüberschreitende Sachverhalte entfalten eine besondere Komplexität.
- – Ob die Feststellungen in den BMF-Schreiben auch Herstellergarantien umfassen, ist angesichts des Umstandes, dass diese oftmals lediglich die gesetzliche Gewährleistung verlängern, umstritten.
Aufgrund der vorgenannten verschiedenen fortbestehenden Abgrenzungs- und Auslegungsunsicherheiten und den damit verbundenen erheblichen finanziellen und administrativen Mehrbelastungen für Unternehmen ist eine Einzelfallprüfung dringend anzuraten. In Zweifelsfällen bietet sich zudem eine Abstimmung mit den zuständigen Finanzbehörden an.
Bitte kommen Sie gerne auf uns zu, wenn wir Sie diesbezüglich unterstützen können.
Die obigen Ausführungen sind allgemein gehalten und können Besonderheiten des Einzelfalls nicht berücksichtigen. Bei tatsächlicher Betroffenheit sind auf jeden Fall eine individuelle Analyse und Beratung erforderlich. Gerne stehen die Ihnen bekannten Ansprechpartner unserer Kanzlei hierfür zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner
Charlotte Geiger | Partner, Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Eileen Danner | Senior Managerin, Rechtsanwältin, Steuerberaterin
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