In unserer Sonderinformation | Update Arbeitszeiterfassung vom 2. März 2023 hatten wir Sie bereits darüber informiert, dass der Bundesarbeitsminister Heil für das erste Kalenderquartal 2023 einen Gesetzesentwurf zur Arbeitszeiterfassung angekündigt hat. Auslöser dafür war die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September 2022 (1 ABR 22/22) sowie das Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Mai 2019 (C-55/18 – CCOO), nach dem Arbeitgeber verpflichtet sind, ein objektives, zuverlässiges und zugängliches System einzurichten, mit dem die geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Der erste Referentenentwurf sieht Folgendes vor:
- Eigenständige und entgeltliche Garantiezusage
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales will folgende Vorgaben für eine ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung in § 16 RefE-ArbZG umgesetzt wissen:
- Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer sowie die Arbeitszeit von Auszubildenden, Praktikanten und Volontären am Tag der Arbeitsleistung aufzuzeichnen. Eine eigenständige Aufzeichnung der Pausen (§ 4 ArbZG) ist nicht vorgesehen. Pausen sind aber bei der Arbeitszeiterfassung zumindest mittelbar zu berücksichtigen, da ansonsten die Dauer der Arbeitszeit nicht hinreichend bestimmt werden kann.
- Die Aufzeichnung soll elektronisch erfolgen, wobei unter einer elektronischen Zeiterfassung nicht nur gängige Zeiterfassungstools und -apps, sondern auch Tabellenkalkulationsprogramme wie z.B. Microsoft Excel zu verstehen sind.
- Die Aufzeichnungen sollen für die Dauer von mindesten zwei Jahren aufbewahrt werden.
- Die Aufzeichnung soll sowohl an Arbeitnehmer als auch an Dritte, z.B. Vorgesetzte, delegiert werden können. Diese gesetzlich vorgesehen Delegation der Erfassungspflicht entbindet den Arbeitgeber jedoch nicht von seiner Pflicht, eine ordnungsgemäße Arbeitszeiterfassung sicherzustellen. Der Arbeitgeber müsste auch bei einer Delegation, die jedenfalls vertraglich fixiert werden sollte, ordnungsgemäß über die Erfassungspflicht informieren, die Aufzeichnungen regelmäßig und stichprobenartig kontrollieren und Verstöße ggf. arbeitsrechtlich sanktionieren.
- Nach der Gesetzesbegründung soll Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich bleiben. Gleichwohl müssten auch diese Arbeitnehmer den Beginn, Dauer und Ende ihrer Arbeitszeit entsprechend erfassen. Der Arbeitgeber müsste die Erfassung zum einen entsprechend speichern und zum anderen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass er von Verstößen gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften Kenntnis erlangt.
- Auf Verlangen des Arbeitnehmers müsste der Arbeitgeber ihm Auskunft über die aufgezeichneten Arbeitszeiten geben und dem Arbeitnehmer eine Kopie der Aufzeichnungen auszuhändigen. Die Entwurfsbegründung stellt zudem klar, dass auch dem Betriebsrat über § 80 BetrVG ein Einsichtsrechts
Abweichung durch Tarifvertrag oder aufgrund von Tarifvertrag
Von diesem gesetzlichen Arbeitszeiterfassungssystem kann nach dem Referentenentwurf durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden (z.B. manuelle Aufzeichnung oder nachträgliche Zeiterfassung). Durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung können auch bestimmte Arbeitnehmergruppen ausgenommen werden, z.B. „Führungskräfte“, „herausgehobene Experten“ oder „Wissenschaftler“. Die Frage, wer zu diesen Arbeitnehmergruppen gehört, sei von den Tarifvertragsparteien aufgrund ihrer Sachnähe zu klären; Auslegungsschwierigkeiten wären hier gleichwohl vorprogrammiert.
Übergangsfristen und Ausnahmen für Kleinstbetriebe
Der Referentenentwurf sieht hinsichtlich der Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung Übergangsfristen zwischen einem und fünf Jahren vor. Betriebe mit weniger als zehn Beschäftigten sollen gänzlich von der elektronischen Zeiterfassung ausgenommen werden. Im Übrigen bleibt es aber auch während den Übergangsfristen und den Kleinstbetrieben bei den dargestellten Anforderungen an eine Arbeitszeiterfassung.
Drohende Sanktionen
Bereits absehbar war, dass Verstöße gegen die Pflicht Zeiterfassung künftig Ordnungswidrigkeiten darstellen werden. Verstöße sollen mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können. Nach dem Referentenentwurf handeln Arbeitgeber ordnungswidrig, wenn sie die Arbeitszeit nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aufzeichnen bzw. aufzeichnen lassen. Zudem handeln Arbeitgeber ordnungswidrig, wenn sie trotz Verlangens des Arbeitnehmers nicht über die aufgezeichneten Arbeitszeiten des Mitarbeiters informieren oder diesem keine Kopie zur Verfügung stellen.
- Wie geht es weiter?
Der Referentenentwurf befindet sich noch in der Abstimmung mit den übrigen Ministerien und den Verbänden. Insofern sind die Vorgaben noch nicht endgültig, zeigen aber auf, was Arbeitgeber in Zukunft bei der Arbeitszeiterfassung voraussichtlich beachten müssen. Eine gesetzliche Regelung wird es voraussichtlich frühestens zum 1. Juli 2023 geben. Bis dahin bleibt es bei der sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ergebenden Pflicht, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Nach der Gesetzgebegründung bleibt es auch bei den bisher bestehenden spezialgesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung (z.B. § 17 MiLoG oder § 19 AEntG), die auch nach der gesetzlichen Einführung einer allgemeinen Arbeitszeiterfassung weiterhin unabhängig voneinander zu erfüllen und unabhängig voneinander kontrolliert werden sollen.
Spätesten wenn das Gesetz zur Arbeitszeiterfassung endgültig umgesetzt ist, sollten Arbeitgeber die Übergangsfristen effektiv nutzen und eine digitale Arbeitszeiterfassung nach ihren individuellen Bedürfnissen und Anforderungen einführen. Dabei stellen sich neben rechtlichen Fragen (Arbeitszeitrecht, Mitbestimmung, Datenschutz) auch Fragen der praktischen technischen Umsetzung der Arbeitszeiterfassung und deren Verarbeitung bzw. Langzeitspeicherung.
Wichtiger Hinweis
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Ihre Ansprechpartner
Gabriele Falch| Senior Managerin, Rechtsanwältin
Martin Jost | Senior Manager, Rechtsanwalt
Dr. Daniel Holler | Rechtsanwalt
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