Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,
willkommen zu der zweiten Ausgabe unseres Newsletters, der Sie über aktuelle Themen und relevante Entwicklungen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des IT-Rechts informiert. In der aktuellen Ausgabe unseres Newsletters informieren wir Sie vor allem über Entscheidungen, die in letzter Zeit im Bereich des Wettbewerbsrechts ergangen sind: Bei den ausgewählten Themen geht es von der Werbung mit Preisherabsetzungen über Lockangebote, bis hin zur Werbung mit sogenannten „Green Claims“. Hier gibt es für Unternehmen einige rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, die wir für Sie kurz und gezielt zusammenfassen, damit Sie die rechtliche Entwicklung stets im Blick haben.
Rechtsprechung zu Lockangeboten und Werbung mit Preisrabatten
Die Werbung mit Preisrabatten ist in vielen Webshops ein beliebtes Mittel, um bei Verbrauchern den Eindruck eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen. Diese Praxis beinhaltet allerdings auch ein hohes Irreführungspotenzial, das mitunter wettbewerbsrechtlich relevant sein kann.
Am 10. Oktober 2022 urteilte das LG München I (Az. 42 O 9140/22) über die Werbung mit sogenannten „Streichpreisen“, bei der dem Gesamtpreis ein höherer, durchgestrichener Preis gegenübergestellt wird, und der Werbung mit „Rabattkästchen“, bei der eine prozentuale Preisersparnis mit einem rot hervorgehobenen Rabattkästchen ausgewiesen wird. Diese Darstellung sei nach Ansicht des Landgerichts irreführend im Sinne des § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG, sofern keine geeignete Bezugsgröße erkennbar ist.
Auch für die Werbung mit unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) legte kürzlich das OLG Köln (Az. 6 U 92/22) mit Urteil vom 9. September 2022 weitere Rahmenbedingungen fest. Sofern der UVP keine ernsthafte und aktuelle Kalkulation als angemessener Verbraucherpreis zugrunde liege, sei eine Werbung mit derartigen „Mondpreisen“ als Irreführung einzustufen. In dem konkreten Fall hatte das Unternehmen dem Angebotspreis eine höhere, durchgestrichene UVP gegenübergestellt, die allerdings seit mehr als einem Jahr nicht mehr ernsthaft gefordert wurde. In einem solchen Fall werde der Verbraucher über das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils getäuscht.
Über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von sogenannten Lockangeboten hat am 16. August 2022 das OLG Nürnberg (Az. 3 U 29/22) entschieden. In dem konkreten Fall hatte ein Discounter in einen Werbeprospekt auf besonders attraktive Angebote hingewiesen, die allerdings nur in geringer Menge für Kunden verfügbar seien. Grundsätzlich ist nach Nr. 5 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (sog. „Schwarze Liste“) die unzureichende Aufklärung über eine unzulängliche Bevorratung zu beanstanden. Vorliegend sah das Gericht allerdings keine Wettbewerbswidrigkeit. Das Gericht stufte den Hinweis „solange der Vorrat reicht“ als notwendig, aber auch ausreichend ein.
Rechtsprechung zur Werbung mit „Klimaneutralität“
Besonders in den letzten Jahren hat sich das sogenannte „Greenwashing“ zu einer weit verbreiteten Werbetaktik mit enormer Werbekraft entwickelt. Die Werbung mit umweltbezogenen Aspekten und Nachhaltigkeit kann auch im Wettbewerbsrecht relevant werden. In letzter Zeit sind einige Entscheidungen zu der Verwendung des Begriffs „klimaneutral“ ergangen.
Grundsätzlich geht die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ mit Aufklärungspflichten des Unternehmens einher. Dies stellte das LG Konstanz (Az. 7 O 6/21) mit Urteil vom 19. November 2021 fest. Aus dem Zusatz „klimaneutral“ schließe der durchschnittliche Verbraucher auf eine klimaneutrale Produktion des Herstellers. Es müsse daher durch das Unternehmen darüber aufgeklärt werden, ob und wie es die behauptete Klimaneutralität durch eigene Maßnahmen erreicht.
Anderer Ansicht ist das OLG Schleswig. Das OLG Schleswig (Az. 6 U 46/21) hob mit Urteil vom 30. Juni 2022 die Entscheidung des LG Kiel (Az. 14 HKO 99/20) vom 2. Juli 2021 auf, welches die Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ – ebenso wie das LG Konstanz – als irreführend eingestuft hatte. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sei der Begriff allerdings nicht irreführend. Hinsichtlich der bestehenden Aufklärungspflichten konkretisierte das Gericht, dass entsprechende Informationen nicht bereits auf der Verpackung des beworbenen Produkts vorzuhalten seien. Ausreichend sei vielmehr ein Verweis auf eine Webseite, auf der weitergehende Informationen bereitgehalten werden.
Interessant ist daneben auch die Entscheidung des LG Kleve (Az. 8 O 44/21) vom 22. Juni 2022, die dahingehend differenziert, ob sich die Werbung mit „Klimaneutralität“ an Verbraucher oder an ein Fachpublikum richtet. Im konkreten Fall ging es um eine Werbeanzeige, die sich an den Handel richtete. Zwar erfolgte die Produktion des Unternehmens nicht emissionsfrei, allerdings unterstützte der Hersteller verschiedene Klimaschutzprojekte als Kompensation. Das Landgericht stufte die Werbung nicht als irreführend ein. Dem Fachpublikum sei bewusst, dass die Klimaneutralität auch durch Kompensation erreicht werden könne. Ein weiterer aufklärender Hinweis sei nicht nötig.
In Anbetracht der uneindeutigen Rechtsprechung ist bei sogenannten „Green Claims“ daher nach wie vor Vorsicht geboten.
Digitalstrategie des Bundesdigitalministers
Mobile Arbeit und „New Work“ sind gängige Begriffe der neuen, digitalen Arbeitswelt. Die Praxis der letzten Jahre zeigte allerdings, dass flexiblen Arbeitsmodellen und technischen Innovationen am Arbeitsplatz in vielerlei Hinsicht gesetzliche Grenzen gesetzt sind, beispielsweise durch die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes.
Am 31. August 2022 hat der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, die neue Digitalstrategie vorgestellt, die den Rahmen für die Digitalpolitik der Bundesregierung bilden soll und eine Reihe an Zielen enthält, die bis 2025 erreicht werden sollen. Im Hinblick auf die neue Arbeitswelt hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, einen „praxisgerechten, modernen Rechtsrahmen für mobile Arbeit“ zu schaffen. Dieser Rechtsrahmen soll die Interessen von Beschäftigten und Unternehmen nach Flexibilität berücksichtigen und einen „fairen Interessenausgleich“ ermöglichen. Die Digitalstrategie enthält darüber hinaus allerdings keine konkreten Vorschläge zu gesetzlichen Regelungen.
Während die Digitalstrategie zumindest die gesetzgeberische Intention hin zu mehr Flexibilität in der neuen Arbeitswelt enthält, geht die Entscheidung des BAG (Az. 1 ABR 22/21) vom 13. September scheinbar in eine andere Richtung. Arbeitgeber sind danach verpflichtet, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. New-Work-Konzepte, die auf Vertrauensarbeitszeit basieren, werden zwar durch die Pflicht zur Zeiterfassung nicht unmöglich. Die Arbeitszeiterfassung geht allerdings, sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer, mit einem gewissen organisatorischen Aufwand einher. Aus dem BAG ergeben sich daher für Arbeitgeber dringender Handlungsbedarf (Wir berichteten: Sonderinformation: Wenn Arbeitszeit zur Straftat wird – Dringende Handlungsempfehlungen zum Arbeitszeit-Beschluss des BAG)
Handlungsempfehlungen
Wir empfehlen Ihnen, sich mit den einschlägigen Entwicklungen zu befassen und zu prüfen, ob und inwieweit diese für Ihren Werbeauftritt relevant sein könnten. Um nachteilige Rechtsfolgen wie Bußgelder, Abmahnungen, Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu vermeiden, sollten die einschlägigen Änderungen – sofern nicht bereits geschehen – so schnell wie möglich umgesetzt werden. Gerne unterstützen wir Sie bei der Bewertung der Rechtskonformität Ihres Unternehmensauftritts und beraten Sie hinsichtlich gegebenenfalls notwendiger Anpassungen. Die Ansprechpartner unserer Kanzlei stehen Ihnen hierfür gerne zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner
Julian N. Modi | Senior Manager, Rechtsanwalt
Dr. Birgit Müller | Senior Managerin, Rechtsanwältin
Robin Fiedler | Rechtsanwalt
Die Sonderinformation als PDF-Datei finden Sie im Nachgang verlinkt
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