Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18.07.2023 im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens festgestellt, dass die bei Kommunen beliebte Regelung des § 13b BauGB nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist und daher unangewendet bleiben muss. Die Norm wurde daraufhin vom Gesetzgeber zum 01.01.2024 aufgehoben. Mit § 215a BauGB wurde eine „Reparaturvorschrift“ eingeführt, die Heilungsmöglichkeiten jedoch bis zum 31.12.2024 befristet.
Damit stellen sich für Bauherren und Kommunen zeitlich drängende Fragen zu bereits in Kraft getretenen Bebauungsplänen nach § 13b BauGB, eingeleiteten Bebauungsplanverfahren und darauf beruhenden Baugenehmigungen.
- Ursprünglicher Zweck von § 13b BauGB
13 b BauGB schaffte die Möglichkeit des beschleunigten Verfahrens für Flächen im Außenbereich mit weniger als 10.000 m² Grundfläche, wenn sich das Plangebiet an den Innenbereich anschließt. So sollte der Wohnungsnot in Ballungsgebieten, die im Zuge der starken Fluchtbewegungen nach Deutschland entstanden bzw. verstärkt aufgetreten ist, entgegengewirkt werden. Die wichtigste Verfahrenserleichterung des § 13b BauGB war der Verzicht auf die aufwändige und kostenintensive Umweltprüfung.
- Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13b BauGB
Das Bundesverwaltungsgericht hat § 13b BauGB mit dem Recht der Europäischen Union für unvereinbar erklärt. Freiflächen im Außenbereich einer Gemeinde dürfen nun nicht (mehr) im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung überplant werden. Durch das gänzliche Entfallen der Umweltprüfung im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB wird der europarechtlich vorgegebene Ermessenspielraum weit überschritten. Die Sondervorschrift des § 13b BauGB ist mit den unionsrechtlichen Vorgaben daher nicht vereinbar.
Unionsrechtswidrige Vorschriften sind zwar nicht nichtig, gleichwohl sind sie aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Die Unanwendbarkeit des § 13b BauGB bestand von Anfang an, wirkt sich also auf sämtliche diesbezügliche Bebauungsplanverfahren, Bebauungspläne und Bauvorhaben aus.
- Reaktion des Gesetzgebers
Der Gesetzgeber hat § 13b BauGB zum 01.01.2024 aufgehoben und mit § 215a BauGB eine Art Reparaturvorschrift zur Schaffung von Rechtsklarheit eingeführt. Die Heilungsmöglichkeit ist bis zum 31.12.2024 befristet.
- Auswirkungen in der Praxis
Die praktischen Auswirkungen sind weitreichend und es besteht Handlungsbedarf.
- Folgen für laufende Planverfahren
– Gemäß § 215a Abs. 1 BauGB können nach § 13b BauGB begonnene, nicht abgeschlossene Bebauungsplanverfahren bis zum 31.12.2024 im beschleunigten Verfahren beendet werden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.
– Die Gemeinde ist dabei nach § 215a Abs. 3 BauGB verpflichtet, eine Art Vorprüfung über die zu erwartenden Umweltauswirkungen durchzuführen und dabei die Fachbehörden zu beteiligen.
– Falls die Vorprüfung erhebliche Umweltauswirkungen erwarten lässt, dürfen die Verfahrenserleichterungen des beschleunigten Verfahrens (Verzicht auf frühzeitige Bürgerbeteiligung und auf die Umweltprüfung) nicht angewandt werden und der naturschutzrechtliche Eingriff durch den Bebauungsplan ist auszugleichen.
- Folgen für in Kraft getretene Bebauungspläne
– Im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellte Bestandspläne, die nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 BauGB gerichtlich angegriffen worden sind, bleiben bestehen. Das wegen § 13b BauGB fehlerhafte Verfahren ist nach Ablauf der Jahresfrist unbeachtlich geworden.
– Werden Bebauungspläne vor Ablauf der Jahresfrist angegriffen, muss mit Verfahrensrügen gerechnet werden. Die Gemeinde sollte in diesen Fällen den Bebauungsplan dringend in einem ergänzenden Verfahren rückwirkend heilen, vgl. § 215a Abs. 2 BauGB. Fehlerhafte Verfahrensschritte sind zu wiederholen und es ist die weiter oben beschriebene Vorprüfung über die zu erwartenden Umweltauswirkungen unter Beteiligung der Fachbehörden durchzuführen.
– Die Rückwirkende Heilung ist auch hier nur bis zum 31.12.2024 möglich, so dass dringender Handlungsbedarf besteht.
- Folgen für Baugenehmigungen
– Grundsätzlich ist das Schicksal bestandskräftiger Baugenehmigungen unabhängig vom Schicksal der zugrundeliegenden Bebauungspläne.
– Die zuständige Baugenehmigungsbehörde hat jedoch die Möglichkeit, rechtswidrige aber bereits bestandskräftige Baugenehmigungen aufzuheben, vgl. § 48 VwVfG bzw. die dementsprechende landesrechtliche Vorschrift.
– Für künftige Baugenehmigungen gilt: Es sollte eine Heilung des Bebauungsplans angestrebt werden, damit die begehrte Baugenehmigung erteilt werden kann. Andernfalls ist wegen der Lage im Außenbereich mit einer Versagung der Genehmigung zu rechnen.
- Ausblick und Handlungsempfehlung
Aufgrund der befristeten Heilungsmöglichkeit nach § 215a BauGB ist für Investoren, Bauherren und Kommunen Eile geboten. Besonders dringender Handlungsbedarf besteht bei laufenden Bebauungsplanverfahren und bei gerichtlich angegriffenen Bebauungsplänen.
Für Fragen im konkreten Einzelfall über den Umgang und die Zukunft von Bebauungsplänen und laufenden § 13b- Verfahren sowie zu den Auswirkungen für die Erteilung von Baugenehmigungen ist eine individuelle und einzelfallbezogene Analyse und rechtliche Beratung zu empfehlen. Gerne stehen die Ihnen bekannten Ansprechpartner unserer Kanzlei hierfür zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartner
Tobias Rilling | Partner, Rechtsanwalt
Franz Bezold | of Counsel, Rechtsanwalt, Leitender Regierungsdirektor a. D.
Niklas Bammler | Senior Manager, Rechtsanwalt
Daniel Walter | Rechtsanwalt
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