Millionen Arbeitnehmer in Deutschland, insbesondere Frauen, arbeiten in Teilzeit. Das Bundes-arbeitsgericht (BAG) hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 05.12.2024 (Az. 8 AZR 370/20) entschieden, dass Teilzeitarbeitnehmer bisher bei Überstundenzuschlägen benachteiligt wurden.
Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Vergütung von Überstunden für Teil-zeitbeschäftigte und erfordert gegebenenfalls die Anpassung von arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelungen.
Im konkreten Fall klagte eine Teilzeit-Pflegekraft, die aufgrund der tarifvertraglichen Regelung keine Überstundenzuschläge oder Zeitgutschriften für ihre geleisteten Überstunden erhalten hatte. Nach dem Tarifvertrag konnte ein Anspruch auf Überstundenzuschlag nur bestehen, wenn die Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreitet. Zudem machte sie eine Entschädigung wegen Diskriminierung geltend.
Die Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg, welches den Fall zunächst dem EuGH vorlegte und im Anschluss an dessen Entscheidung den Überstundenzuschlag in Form einer Zeitgutschrift sowie eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro zusprach.
In seinem aktuellen Grundsatzurteil hat das BAG klargestellt, dass die Zahlung von Überstundenzuschlägen nicht pauschal von der Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit eines Voll-zeitbeschäftigten abhängen darf. Vielmehr sei eine individuelle Betrachtung erforderlich. Eine arbeitsvertragliche oder tarifliche Regelung, die die Überstundenvergütung davon abhängig macht, dass die Anzahl geleisteter Arbeitsstunden die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreitet, diskriminiert Teilzeitbeschäftigte (und damit – gemäß BAG – häufig Frauen).
Denn nach dieser Regelung würde ein Vollzeitbeschäftigter die Voraussetzungen für den Überstundenzuschlag bereits ab der ersten Überstunde erfüllen, ein Teilzeitbeschäftigter hingegen erst – abhängig vom Anteil der Arbeitszeit – bei mehr geleisteten Überstunden (genauer gesagt: bei Überstunden, die die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigen überschreiten). Demnach liege bei individueller Betrachtung eine Ungleichbehandlung vor.
Das BAG stellt fest, dass eine Ungleichbehandlung nur dann zulässig ist, wenn sachliche Gründe vorliegen. Für die Entscheidung maßgeblich sind § 4 Abs. 1 TzBfG, der das Schlechterstellen Teilzeitbeschäftigter verbietet, sowie §§ 1, 7 AGG, die unter anderem die Benachteiligung wegen des Geschlechts untersagen.
Solche Klauseln waren bisher in Tarifverträgen gleichwohl üblich, auch im öffentlichen Dienst.
Nach Auffassung des BAG stellt die tarifrechtliche Regelung eine schlechtere Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG sowie eine mittelbare Benachteiligung wegen des weiblichen Geschlechts im Sinne des AGG dar. Die mittelbare Benachteiligung von Frauen ergab sich daraus, dass mehr als 90 % der Teilzeitbeschäftigten, die dem streitigen Tarifvertrag unterfielen, Frauen sind und ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung fehlte.
Die sogenannte „Vollzeitquote“ bei Überstundenzuschlägen ist in vielen Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen verankert und ist nach der neuen Rechtsprechung möglicherweise anfechtbar. Die Entscheidungsgründe des BAG im Einzelnen liegen noch nicht vor.
Arbeitgeber sollten überprüfen, ob ihre arbeitsvertraglichen und tariflichen Regelungen bzw. die betriebliche Handhabung von Überstundenzuschlägen noch im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung stehen. Gerne unterstützen wir Sie bei Bedarf.
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