Sonderinformation von Barbara Gayer, Sonntag & Partner und Thomas Kastenmeier, Sonntag & Partner
Bereits seit Juli vergangenen Jahres liegt der „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ vor. Nach intensiven politischen Diskussionen hat die große Koalition am 20. Juni 2016 in einer gemeinsamen Erklärung eine Einigung zur Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer bekannt gegeben. Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzesentwurf bereits am 24. Juni 2016 in zweiter und dritter Lesung beraten und angenommen.
Nach der bisher bekannten Planung soll der Deutsche Bundesrat am 8. Juli 2016 über die Reform abstimmen. Der Ausgang des Ländervotums ist jedoch noch ungewiss, da insbesondere die Grünen den Reformvorschlägen kritisch gegenüberstehen.
Im Wesentlichen sieht der Gesetzesentwurf folgende Änderungen vor:
Anpassung der Bewertungsregelungen
Das im Gesetz vorgesehene vereinfachte Ertragswertverfahren (§ 203 BewG) ist an den Basiszinssatz gekoppelt. Dadurch kommt es – gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase – zu unrealistisch hohen Firmenwerten. Aktuell wird der nachhaltig erzielbare Jahresertrag des Unternehmens mit einem Kapitalisierungsfaktor von 17,86 multipliziert. Der Gesetzesentwurf sieht nunmehr eine Absenkung des Kapitalisierungsfaktors auf einen Korridor von 10 bis maximal 12,5 vor.
Wertabschlag für Familienunternehmen
Für Familienunternehmen mit gesellschaftsvertraglich geregelter Kapitalbindung sowie Verfügungs- und Abfindungsbeschränkung enthält der Gesetzesentwurf einen Abschlag auf den Unternehmenswert von bis zu 30 %. Die entsprechenden Regelungen müssen jedoch zwei Jahre vor der Übertragung und 20 Jahre danach bestehen.
Begünstigung für Betriebsvermögen
Der Steuerpflichtige hat bei der Übertragung von Betriebsvermögen weiterhin die Möglichkeit, zwischen der sog. Regelverschonung (85 %-ige Steuerbefreiung) und der sog. Optionsverschonung (100 %-ige Steuerbefreiung) zu wählen. Im Gegensatz zum aktuell noch gültigen Recht ist die Entscheidung für die eine oder andere Verschonungsoption jedoch nicht mehr davon abhängig, in welcher Höhe das Betriebsvermögen aus nicht begünstigtem Vermögen (Verwaltungsvermögen) besteht. Zukünftig unterscheiden sich die beiden Verschonungsmodelle somit nur noch in Bezug auf die Frist, in der das erworbene Unternehmen fortgeführt werden muss und die Höhe der zu erhaltenden Lohnsumme (Regelverschonung: 5 Jahre und 400 %, Optionsverschonung: 7 Jahre und 700 %).
Ausschluss der Begünstigung für Verwaltungsvermögen
Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens unterliegen künftig vollumfänglich der regulären Besteuerung, soweit der Wert des Verwaltungsvermögens 10 % des gesamten Unternehmensvermögens überschreitet. Beträgt das Verwaltungsvermögen in Extremfällen mindestens 90 % des Werts des gesamten Unternehmens, ist aus Gründen der Missbrauchsvermeidung auch für die verbleibenden 10 % des begünstigten Vermögens jede Begünstigung ausgeschlossen. Bisher konnte bei Einhaltung der Verwaltungsvermögensquoten (Regelverschonung < 50 %, Optionsverschonung < 10 %) der gesamte Betrieb begünstigt übertragen werden.
Konsolidierte Ermittlung des Verwaltungsvermögens
Bisher war das Verwaltungsvermögen bei mehrstufigen Konzernstrukturen für jede Gesellschaft getrennt zu ermitteln und wurde bei Tochtergesellschaften nur dann relevant, wenn es 50 % des Werts der jeweiligen Gesellschaft überstieg. Zukünftig wird das Verwaltungsvermögen konsolidiert auf Konzernebene ermittelt. Damit muss jede einzelne Tochtergesellschaft genauestens auf ihr Verwaltungsvermögen untersucht und die identifizierten Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens detailliert bewertet werden.
Gegenstände des Verwaltungsvermögens
Für die Bestimmung des Verwaltungsvermögens wird im Wesentlichen an den bisherigen Regelungen festgehalten. Verwaltungsvermögen sind damit insbesondere fremdvermieteter Grundbesitz, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von 25 % oder weniger, Kunstgegenstände und Wertpapiere. Hinsichtlich der zum Verwaltungsvermögen rechnenden Finanzmittel sind künftig bereits Netto- Finanzmittel (nach Abzug der Schulden) über 15 % des Unternehmenswerts einzubeziehen. Bisher lag diese Grenze bei 20 %. Nicht zu den Finanzmitteln zählt das Deckungsvermögen für die betriebliche Altersversorgung.
Nicht begünstigt ist wie bisher das sog. junge Verwaltungsvermögen. Darunter fallen Vermögensgegenstände des Verwaltungsvermögens, die innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren vor dem Übertragungsstichtag in das Betriebsvermögen eingelegt wurden.
Neu ist allerdings, dass bei der Ermittlung des Werts des Verwaltungsvermögens auch Betriebsschulden zu berücksichtigen sind, die jedoch nicht nach einem Finanzierungszusammenhang zugeordnet werden, sondern das Verwaltungsvermögen quotal im Verhältnis des Werts des Verwaltungsvermögens zum gesamten Unternehmenswert mindern.
Erwerbe über 26 Millionen Euro
Der Gesetzesentwurf sieht für die Betriebsvermögensverschonung bei Großerwerben von mehr als 26 Mio. Euro zwei Varianten vor. Nach dem sog. Abschmelzungsmodell erfolgt für den Erwerb oberhalb der Schwelle von 26 Mio. Euro eine schrittweise Verringerung des Verschonungsabschlags um einen Prozentpunkt je 750.000 Euro. Die Begünstigung kann – im Gegensatz zumGesetzesentwurf vom 8. Juli 2015, der noch einen Sockelbetrag vorsah – bis auf Null sinken. Das wäre bei einem Erwerb von rund 90 Mio. Euro der Fall. Für die Berechnung der 26 Mio. Euro Grenze werden Erwerbe innerhalb von zehn Jahren zusammengefasst.
Alternativ kommt die sog. Verschonungsbedarfsprüfung in Betracht. Hier muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, mit seinem verfügbaren Vermögen (nicht begünstigtes Betriebsvermögen, Privatvermögen) die Steuer zu begleichen. Das „verfügbare Vermögen“ setzt sich aus jeweils der Hälfte des beim Erwerber bereits vorhandenen und des mitübertragenen Vermögens zusammen. Zudem sind Nacherwerbe aus Erbschaften oder Schenkungen innerhalb von zehn Jahren im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung zu berücksichtigen.
Verschärfung für Kleinbetriebe
Bisher waren Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern von der Lohnsummenregelung ausgenommen. Nach der geplanten Neuregelung muss zukünftig bereits bei der Übertragung von Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern auf die Lohnsumme geachtet werden.
Erweiterte Stundungsregelung im Erbfall
Für Übertragungen im Todesfall sieht der Gesetzesentwurf die Möglichkeit vor, die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer zinslos für zehn Jahre zu stunden. Die Stundung unterliegt keinen weiteren Voraussetzungen und kann unabhängig von Verschonungsbedarfsprüfung oder Abschlag in Anspruch genommen werden.
Investitionsklausel im Erbfall
Werden liquide Mittel oder sonstiges Verwaltungsvermögen innerhalb von zwei Jahren nach einer Übertragung aufgrund eines Todesfalls in begünstigtes Betriebsvermögen investiert, wird auch dieses Vermögen als begünstigtes Vermögen behandelt.
Inkrafttreten
Die Neuregelungen sollen rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten
Fazit
Der Gesetzgeber hat mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf dem sowieso bereits komplexen Regelwerk der Begünstigungen für Betriebsvermögen nochmals mindestens drei Komplexitätsgrade hinzugefügt. Die Ermittlung und detaillierte Bewertung des Verwaltungsvermögens auf allen Beteiligungsebenen mit einem „Freibetrag“ von nur 10 %, die Regelung für Familienunternehmen mit einer Nachhaltefrist von 20 (!) Jahren sowie die Verschonungsbedarfsprüfung unter Einbeziehung des Privatvermögens verursachen nicht nur einen immensen Aufwand, sondern sind auch mit erheblichen Bewertungsrisiken behaftet. Eine verlässliche Nachfolgeplanung unter Berücksichtigung steuerlicher Gesichtspunkte wird deutlich erschwert, auch eine starke Zunahme von Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung ist zu erwarten. Positiv ist herauszustellen, dass entgegen der früheren Bestrebungen der Katalog der Gegenstände des Verwaltungsvermögens nahezu unverändert geblieben ist und insbesondere die Ermittlung des Unternehmenswerts nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren der Realität angenähert wird.
Sollten Sie noch Fragen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer und zur vorliegenden Sonderinformation haben, so wenden Sie sich jederzeit an unsere Experten:
Barbara Gayer , Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Thomas Kastenmeier , Rechtsanwalt, Steuerberater
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