Worum geht’s?
Ausländische Gesellschaften können als Vergütungsgläubiger unter bestimmten Voraussetzungen Entlastungen von der deutschen Abzug- bzw. Kapitalertragssteuer erlangen. Dies umfasst u.a. Entlastungsansprüche aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) oder der Zins- und Lizenzrichtlinie (§ 50g EStG), die 2/5-Kapitalertragsteuer-Erstattung bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften (§ 44 Abs. 9 EStG) sowie eine Begünstigung aufgrund eines geltenden Doppelbesteuerungsabkommens.
Für den teilweisen oder vollständigen Entlastungsanspruch sind grundsätzlich die Vorschriften des § 50d Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Die Norm enthält Regelungen zur Vermeidung von sog. "Treaty Shopping"-Gestaltungen, bei denen ausländische Gesellschaften mit geringer wirtschaftlicher Substanz lediglich zur Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen zwischengeschaltet werden. Ziel der Vorschrift ist es, missbräuchliche Steuergestaltungen zu verhindern.
Durch das sog. Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) vom 02.06.2021 wurde § 50d Abs. 3 EStG zuletzt neu gefasst und weiter verschärft, um insbesondere den Erfordernissen des Unionsrechts Genüge zu tun. Am 17.03.2025 hat das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) nunmehr ein aktualisiertes Merkblatt zur Entlastungsberechtigung nach § 50d Abs. 3 EStG veröffentlicht.
Zu beachten ist, dass sich das Merkblatt lediglich auf die Entlastungsverfahren (Freistellung sowie Erstattung) i. Z. Kapitalertragsteuer bezieht. Das Merkblatt des BZSt bietet wichtige Hinweise zur steuerlichen Entlastung und nimmt zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG Stellung. Die Neuerungen, die sich durch das Merkblatt des BZSt ergeben, sollen nachfolgend dargestellt werden.
Anwendungsbereich
Nach § 50d Abs. 3 EStG können Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse (im Folgenden: „Antragstellerin“) unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine vollständige oder teilweise Entlastung der einbehaltenen Abzugsteuer auf Kapitalerträge nehmen. Der Entlastungsanspruch besteht gemäß § 50d Abs. 3 EStG nur, soweit:
- Personen an der Antragstellerin beteiligt sind oder durch deren Satzung, Stiftungsgeschäft oder andere Verfassung begünstigt sind, die eine Steuerentlastung erhalten würden, falls sie die Einkünfte direkt erzielen würden („persönliche Entlastungsberechtigung“) und
- die Einkunftsquelle der Antragstellerin einen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit aufweist, die über die reine Vermögensverwaltung hinausgeht („sachliche Entlastungsberechtigung“).
Sind die Voraussetzungen der persönlichen oder sachlichen Entlastungsberechtigung nicht erfüllt, bleibt der Anspruch auf Entlastung trotzdem bestehen, wenn:
- die Antragstellerin nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist („Main Benefit Test“) oder
- mit der Hauptgattung der Anteile der Antragstellerin ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet („Börsenklausel“).
Neuerungen durch das Merkblatt zur Entlastungsberechtigung vom 17.03.2025
In der nunmehr vorgenommenen Aktualisierung lockert das BZSt seine bisherige Sichtweise zur persönlichen Entlastungsberechtigung sowie zur sog. Börsenklausel bei mehrstufigen Beteiligungsebenen:
Persönliche Entlastungsberechtigung:
- Die persönliche Entlastungsberechtigung ist erfüllt, wenn die an der Antragstellerin beteiligten Personen selbst Anspruch auf Entlastung hätten, wenn sie die Einkünfte unmittelbar selbst erzielt hätten.
- Bislang wurde seitens des BZSt verlangt, dass der Entlastungsanspruch der Beteiligten auf der gleichen Rechtsgrundlage beruhen muss (z.B. § 43b EStG oder aufgrund desselben Doppelbesteuerungsabkommens). Ein identischer Anspruch aus einer anderen Rechtsgrundlage (z.B. aufgrund unterschiedlicher Doppelbesteuerungsabkommen) genügte hingegen nicht.
- Nunmehr soll es lediglich entscheidend sein, ob eine Entlastung dem Grunde nach vorliegt. Das gilt unabhängig davon, auf welcher Rechtsgrundlage diese Entlastungsberechtigung beruht. Der Entlastungsanspruch der Antragstellerin wird fortan nur in der Höhe eingeschränkt, wenn die beteiligten Personen einen niedrigeren Entlastungsanspruch hätten. Dies umfasst sowohl direkte als auch indirekte Beteiligungen.
Sachliche Entlastungsberechtigung und Main Benefit Test:
- In Bezug auf die sachliche Entlastungsberechtigung sowie den Main Benefit Test hat das BZSt lediglich redaktionelle Änderungen vorgenommen. Von wesentlichen inhaltlichen Neuerungen wurde hingegen abgesehen.
- Es gilt weiterhin, dass die bloße Einkünfteerzielung ohne wirtschaftliche Aktivität bzw. eine reiner vermögensverwaltende Tätigkeit nicht ausreicht, um von einer Entlastung profitieren zu können. Das Halten der Beteiligung muss also eine wirtschaftliche Funktion im Verhältnis zur übrigen Tätigkeit der Antragstellerin erfüllen.
- Ergänzend ist die Nachweisführung erforderlich, dass die Antragstellerin eine tatsächlich betrieblich eingerichtete Geschäftstätigkeit (u.a. qualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kommunikationsmittel) ausführt.
- Sofern eine (teilweise) Entlastungsberechtigung aufgrund einer fehlenden persönlichen oder sachlichen Entlastungsberechtigung vorliegt, besteht per Gesetz die widerlegbare Vermutung eines steuerlichen Gestaltungsmissbrauchs durch die Zwischenschaltung der Antragstellerin. Diese Vermutung gilt jedoch auch weiterhin unverändert als widerlegt, wenn der „Main Benefit Test“ erbracht wird.
- Dafür muss die Antragstellerin nachweisen, dass der Hauptzweck ihrer Einschaltung nicht die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Hierbei wird eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls vorgenommen, wobei sowohl steuerliche als auch außersteuerliche Gründe zu berücksichtigen sind.
Börsenklausel:
- Die Börsenklausel als weitere Exkulpationsmöglichkeit gilt als erfüllt, wenn mit der Hauptgattung der Anteile der Antragstellerin ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer anerkannten Börse stattfindet. Dies gilt auch, wenn eine Gesellschaft zu 100% mittelbar oder mittelbar an der Antragstellerin beteiligt ist und deren Anteile ebenfalls an einer Börse gehandelt werden.
- Bislang war die Börsenklausel nach Auffassung des BZSt nur anwendbar, wenn die Entlastungsberechtigung der Beteiligten aufgrund derselben Rechtsgrundlage gewährt wurde.
- Mit Merkblatt vom 17.03.2025 soll die Börsenklausel nach Auffassung des BZSt nunmehr zur Anwendung kommen, wenn Entlastungsanspruch auf nachgelagerter Ebene identisch oder höher ausfällt. Bei mittelbarer Beteiligung ist dabei erforderlich, dass sämtliche zwischengeschalteten Gesellschaften einen identischen oder höheren Entlastungsanspruch haben.