Beim Erwerb von begünstigtem Betriebsvermögen, begünstigtem land- und forstwirtschaftlichem Vermögen sowie begünstigten Anteilen an Kapitalgesellschaften werden nach §§ 13a bis 13c ErbStG sowie § 28a ErbStG erbschaft- und schenkungsteuerlich verschiedene Steuerverschonungen gewährt.
Der Verschonungsabschlag sowie der Abzugsbetrag im Rahmen der sog. Regelverschonung entfallen anteilig mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn innerhalb der Behaltensfrist von fünf Jahren nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung gegen eine der Behaltensregelungen des § 13a Abs. 6 ErbStG verstoßen wird. Im Rahmen der Optionsverschonung verlängert sich diese Behaltensfrist auf sieben Jahre; ein Verstoß gegen die Verschonungsvoraussetzungen führt auch hier zum teilweisen oder vollständigen Wegfall der Verschonung.
Ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen liegt u.a. bei einer Veräußerung eines Anteils an einer Personengesellschaft, der Betriebsaufgabe oder bei Entnahme oder Veräußerung von wesentliche Betriebsgrundlagen vor. Darüber hinaus stellen auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils sowie bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Auffassung der Finanzverwaltung einen Verstoß gegen die Behaltensregelungen dar. Mögliche wirtschaftliche Gründe für einen Verstoß sind nach dem Gesetzeswortlaut unbeachtlich.
Die Gleichsetzung der Insolvenz mit einer Betriebsaufgabe löste Kritik aus, da diese vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt war. In diesem Kontext entschied der BFH mit Urteil vom 1. Juli 2020 (II R 19/18 und II R 20/18), dass die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personengesellschaft nicht automatisch zur nachträglichen Versagung des Verschonungsabschlags führt – anders als bei Kapitalgesellschaften. Damit widersprach der BFH explizit der Auffassung der Finanzverwaltung.
Die Gesetzesbegründung zum JStG 2024 betont nun, dass die unterschiedliche Behandlung von Personen- und Kapitalgesellschaften nicht im Sinne der Verschonungsregelungen des § 13a ErbStG ist. Die Regelungen sollen das Produktivvermögen, welches dem Gemeinwohl dient, angemessen begünstigen. Bei Kapitalgesellschaften führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch nicht zwangsläufig zur Zerschlagung und Liquidation der Vermögenswerte. Vielmehr kann die Gesellschaft noch immer fortgeführt und bestehende Arbeitsplätze auf diese Weise gesichert werden. Diese Tatsache fand im Gesetz bisher keine Berücksichtigung, da nach dem Wortlaut der Norm bereits die Auflösung einer Kapitalgesellschaft zur Nachversteuerung führte.
Um künftig eine Gleichbehandlung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften zu schaffen, wurde die Regelung des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG nun eingeschränkt. Die neue Vorschrift des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 Satz 3 ErbStG sieht vor, dass in Fällen einer insolvenzbedingten Auflösung die Nachversteuerung erst mit der Aufgabe des Betriebs gilt oder soweit wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden. In Zukunft sollte daher auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft nicht mehr länger das unmittelbare Risiko eines Verstoßes gegen die Behaltensregelungen des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ErbStG nach sich ziehen.
Die Neufassung des § 13a Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 ErbStG ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Steuer nach dem 31. Dezember 2024 entsteht.
Für die Restrukturierungs-, Sanierungs- und Insolvenzrechtspraxis ist die Gesetzesänderung durchaus als Erleichterung zu sehen. Unabhängig davon gilt es im Rahmen von geplanten Maßnahmen nachlaufende Behalte- und Sperrfristen (u.a. auch im Bereich von vorgehenden Umwandlungen) zu beachten, um unerwünschte Steuereffekte zu vermeiden.
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